work und care: Toolbox für Betriebe
In Kürze: Die Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Betreuung von Angehörigen ist bei Careum bereits seit elf Jahren ein Thema. Ein webbasierter Modulbaukasten will nun die «work & care»-Sachkenntnis in der Arbeitswelt einfach zugänglich machen und verankern.
Kein Randthema
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Angehörigenbetreuung ist ein wichtiges Thema in der Schweiz. Während der Pflege- und Betreuungsbedarf weiter steigt, werden rund 80 Prozent der pflege- und unterstützungsbedürftigen Personen von ihren Angehörigen betreut (Facts & Figures). Betriebliche Umfragen zeigen, dass der Anteil der Angestellten mit Betreuungsaufgaben mehr als 10 Prozent beträgt (Van Holten, Sax, Bischofberger 2014).
Die Forschungsabteilung der Careum Hochschule Gesundheit betreibt mit dem Forschungsprogramm «work & care» seit gut 10 Jahren Forschung und Entwicklung zur Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Betreuung von Angehörigen. Die so erarbeiteten Erkenntnisse wurden über die Jahre in Artikeln, Vorträgen und Workshops einem breiten Publikum zugänglich gemacht.
In einem Modulbaukasten werden diese Erkenntnisse nun einfach und übersichtlich der Arbeitswelt zur Verfügung gestellt. Dazu läuft seit Sommer das Projekt «work & care modular». Das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann EBG unterstützt das Projekt mit Finanzhilfen nach dem Gleichstellungsgesetz.
Gemeinsam mit Firmenpartnern und Fachpersonen entwickelt Careum Forschung einen Modulbaukasten, der Unternehmen darin unterstützen soll, eine work & care-freundliche Betriebskultur zu etablieren. Flexibel einsetzbare Module aus Informationsmaterial, Workshops, Vorträgen und Coaching decken verschiedene Bedürfnisse ab.
Vereinbarkeit fördern zwischen Erwerbsarbeit und Angehörigenbetreuung (Foto: Adam121/Adobe Stock)
Ein kurzer Check-up vor der Auswahl von Modulen zeigt den aktuellen Stand der work & care-Sachkenntnis im Betrieb auf. Zeigt sich, dass diese zum Beispiel im Bereich Sensibilisierung noch Verbesserungspotential hat, kann ein passendes Modul, bestehend aus Infomappen, Vorträgen oder Workshops, eingekauft werden.
Diversität in der Arbeitswelt
Die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Privatleben wurde in den letzten Jahren auch in der Arbeitswelt immer mehr zum Thema. Unter dem Stichwort «Diversity Managment» wird versucht, der Vielfalt an Lebensweisen und Anforderungen am Arbeitsplatz gerecht zu werden.
Neben sozialen spielen hier auch handfeste unternehmerische Beweggründe eine Rolle. Betriebe sind stärker denn je darin gefordert, den vielfältigen Erwartungen der Arbeitnehmenden zu entsprechen und versuchen, sich durch Diversity im Wettbewerb um Fachkräfte zu positionieren. So hat beispielsweise Novartis eben erst bekanntgegeben, ihren Mitarbeitenden künftig einen Vaterschaftsurlaub von 14 Wochen zu gewähren.
Diversität: Verschiedene Mitarbeitende, verschiedene Anliegen (Foto: HQuality/Shutterstock)
Spricht man landläufig vom Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit, denkt man in Regel an Kinderbetreuung, Elternurlaub, Teilzeit oder Homeoffice. Jedoch müssen nicht nur Eltern Beruf und Familie vereinbaren, auch Personen mit kranken, behinderten oder beeinträchtigten Nächsten stehen vor ähnlichen Herausforderungen.
Während die Betreuung von Kindern im Arbeitsleben oft thematisiert wird und immer mehr Akzeptanz findet, ist beispielsweise die Betreuung eines dementen Elternteils kein Thema, das spontan mit Personen aus dem Arbeitsleben geteilt wird. Eine work & care-freundliche Betriebskultur ist daher wichtig.
Welche Handlungsmöglichkeiten haben Betriebe, um ihre work & care-Situation zu verbessern? Das untenstehende «Magische Dreieck» zeigt drei Ansätze für eine gute Praxis auf: Handlungsbedarf abklären (Quantifizierung), Angehörigenbetreuung ansprechen (Sensibilisierung), gemeinsam Lösungen für den Zeitkonflikt finden (Support).

Verschiedene Perspektiven gefragt
Work & care ist ein Schnittstellenthema, das sich zwischen Gesellschaft, Arbeitswelt und dem Versorgungssystem abspielt. Ein Rund-um-Blick ist daher gefragt. Im Dezember 2018 trafen sich Fachpersonen aus Wissenschaft und Gleichstellungsarbeit, betroffene Angehörige und Personen aus der Privatwirtschaft zu einem Workshop auf dem Careum Campus in Zürich.
Gemeinsam mit dem Team von Careum diskutierten sie mögliche Angebote und Modulinhalte zur Verbesserung der work & care-Situation in Betrieben.
Dabei zeigte es sich klar: Je nach Grösse oder Ausrichtung von Betrieben haben Mitarbeitende verschiedene Anliegen. So unterscheiden sich Anliegen von Grossunternehmen von denjenigen kleinerer Unternehmen, jene von Führungskräften von jenen von Mitarbeitenden an der Basis. Ebenso diskutierten Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Branchen wie dem Gesundheitssektor (Andrea Käppeli, Spital Muri) und dem Detailhandel (Martin Kaiser, Genossenschaft Migros Basel).
Mit Benedikt Fischer (Fluginspektor und Pilot) und Katja Jöri (ehemals Spitex Kt. Zug) konnten zwei betroffene Personen ihre Sichtweise miteinbringen. Beide kümmern sich neben ihrer Erwerbstätigkeit um Nächste. Beide betonten, wie wichtig Sensibilisierung und die Sichtbarmachung von Angehörigenbetreuung am Arbeitsplatz sind.

Deutlich wurde dabei: Die Modulpakete müssen vielfältige Bedürfnisse nach Form und Inhalt berücksichtigen – d.h. welche Inhalte auf welche Art und Weise vermittelt können. Dieser Herausforderung will der modulare Aufbau Rechnung tragen. In den kommenden Monaten entwickelt das Projektteam in Zusammenarbeit mit den Firmenpartnern die Angebote. Im Sommer 2019 steht der Baukasten den Betrieben zur Verfügung.
Kontakt: amelie.zentgraf@careum.ch
Literatur
Van Holten, Karin; Sax, Anna; Bischofberger, Iren (2014). Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenpflege als Erfolgsfaktor für die Wirtschaft? In: Die Volkswirtschaft (3), 43-45). Link
Ihre Meinung ist gefragt
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